Erste Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an Familie Amanda und Julius Fischer

Am frühen Vormittag des 23. November 2024 fand die erste Verlegung von Stolpersteinen in Neuhofen statt. Diese Gedenksteine, die vor den ehemaligen Wohnhäusern von Opfern des Nationalsozialismus verlegt werden, dienen als Zeichen des Erinnerns und der Mahnung.
André Schlosser, Beigeordneter der Ortsgemeinde Neuhofen, erläuterte die Pläne, in den kommenden Jahren weitere Stolpersteine zu setzen, um die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten. Anette Winter, die Initiatorin der Aktion, teilte ihre persönliche Motivation mit den Anwesenden und schilderte die Verfolgung der Familie Fischer, die einst in Neuhofen lebte. Unterstützt wurde sie bei der Recherche von Peter Frosch.
Günther Flory, ein Zeitzeuge und Kenner der Geschichte Neuhofens, ergänzte die Gedenkveranstaltung mit persönlichen Erinnerungen. Er gab Einblicke in die Kindheit von Anni Fischer, die vor ihrer Deportation in Neuhofen lebte, und berichtete über die erneute Kontaktaufnahme mit Anni Fischer im Jahr 1978. Diese führte zu einem bewegenden Austausch und gegenseitigen Besuchen, die die Verbindung zu ihrer einstigen Heimat wiederaufleben ließen.
Die Geschichte der Familie Fischer

1933 lebten in Neuhofen fünf jüdische Familien, die in der NS-Zeit unterschiedliche, oftmals tragische Schicksale erlitten. Eine dieser Familien war Familie Fischer aus der damaligen Prinz-Luitpold-Straße. Ihr Schicksal steht exemplarisch für das Leid vieler jüdischer Bürger in dieser Zeit.
Die Familie bestand aus dem Vater Julius Fischer (geb. 1903), der Mutter Amanda Fischer (geb. 1900) und den Kindern Erich (geb. 1931) und Anni (geb. 1928).
Nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder spürten bereits ab Mitte der 1930er Jahre eine zunehmende Diskriminierung. Sie mussten als Folge der „Nürnberger Gesetze“ die Volksschule verlassen und wurden in sog. Judenschulen unterrichtet. Sie konnten nicht mehr mit ihren bisherigen Freunden spielen und wurden zunehmend verachtend behandelt.
Es war der frühe Morgen des 22. Oktober 1940, der letzte Tag des jüdischen Laubblütenfestes:
In Baden, in der Pfalz und im Saarland beginnt die Gestapo mit der Deportation von 6.504 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern. Sie werden aus ihren Wohnungen und Häusern geholt. Unter ihnen sind Alte, Schwerkranke und mehr als 560 Kinder – darunter auch Familie Fischer.
Familie Fischer wurde zunächst nach Ludwigshafen und von dort aus weiter mit Zügen ins Lager Gurs in Südfrankreich gebracht. Ein Koffer mit ein paar Habseligkeiten ist das Einzige, was sie aus ihrem bisherigen Leben mitnehmen durften.
Von der Situation in Ludwigshafen ist ein Foto überliefert, das hier abgerufen werden kann: https://atlas.lastseen.org/image/ludwigshafen-am-rhein/317
Für viele Deportierte ist das Lager in Gurs die letzte Station vor Auschwitz - so auch für Amanda und Julius Fischer. Beide wurden 1942 in Auschwitz ermordet.
Dramatische Rettung der Kinder
Dank des mutigen Einsatzes von Retterinnen und Rettern konnten mehr als 560 Kinder oft in letzter Minute vor dem sicheren Tod bewahrt werden. Eltern, wie Amanda und Julius Fischer, erteilten schriftlich ihre Zustimmung, um ihren Kindern die Flucht zu ermöglichen. Zeitzeugen berichteten von den katastrophalen Zuständen in den Lagern und den dramatischen Rettungsaktionen, unter anderem durch das Schweizer Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen.
Auch Anni und Erich Fischer wurden gerettet.
Anni Fischer wurde im März 1942 in ein Kinderheim der Rotschild-Stiftung in Chateu-de-Convet gebracht und 1944 nach Spanien geschleust. Von dort kam sie am 23. Oktober 1944 auf das Schiff Guine und ging am 5. November 1944 in Palästina an Land. In dieser Zeit war sie von ihrem Bruder getrennt, denn dieser kam im März in das Kinderheim Montintin, danach jedoch auf dem gleichen Weg wie seine Schwester nach Palästina.
Anni Fischer hat einen Sohn und lebt bis heute in Israel . Erich Fischer verstarb im Jahr 2023.
Die Verlegung der vier Stolpersteine vor ihrem ehemaligen Wohnhaus symbolisiert heute die Rückkehr der Familie Fischer an diesen Ort. Auch wenn sie nur symbolisch vereint ist, erinnert die Aktion an ihr Schicksal und bewahrt die Erinnerung an eine dunkle Zeit lebendig.
Die Stolpersteine mahnen uns, die Vergangenheit niemals zu vergessen, und sie geben den Opfern der NS-Zeit ihre Namen und ihre Würde zurück.
